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Anmerkungen zur Landung auf Autobahnabschnitten (ABA)

(Text: Michael Wegerich, erschienen in: DHS Nr. 6)

Die Landung auf schmalen Bahnen (Autobahnen) war eines der anspruchsvollsten gefechtsnahen Ausbildungselemente neben der Landung auf Rasen- und Schneebahnen, der Landung auf verkürzten Bahnen, der Landung nachts ohne Bodenscheinwerfern, der Handlungen von chemisch und radioaktiv verseuchten Flugplätzen sowie der Handlungen bei Funkstörungen bzw. unter Funkstille.

Um überhaupt zur Ausbildung zu diesem gefechtsnahen Element - Landung auf schmalen Bahnen - zugelassen zu werden, war eine stabile hohe Landequalität, eine abgeschlossene Ausbildung zur Leistungsklasse II sowie eine festgelegte Anzahl von "Landungen linke Seite" erforderlich. "Landungen linke Seite" bedeutet, daß links zwischen Mittellinie der Landebahn und linker Bahnkante gelandet wird. D.h. bei einer normalen Breite der Landebahn von 37,5 m wie z.B. in Holzdorf, wurde nur eine Breite von nicht einmal 19 m genutzt. Das war schon eine gute Vorbereitung für Landungen auf dem ABA Forst, der auch nur 22 m breit war. Der meist genutzte Autobahnabschnitt war der ABA Forst, ein ca. 3,3 km langer Abschnitt der Autobahn zwischen Cottbus und dem polnischen Grenzübergang nahe der Stadt Forst.

Die Termine für die Nutzung des ABA Forst wurden zwischen dem Ministerium für Nationale Verteidigung und dem Innenministerium abgestimmt. Der ABA wurde ca. 2 - 3 Wochen für den öffentlichen Straßenverkehr gesperrt. Den betreffenden Geschwadern wurden in diesem Zeitraum bestimmte Flugtage zur Jahresplanung zugewiesen. Meist fand die Sperrung der Autobahn in den Frühjahrs- oder Sommermonaten statt, wenn stabile gute Flugwetterbedingungen zu erwarten waren. Am Tag der Sperrung wurde durch die Polizei die Beschilderung der Autobahnsperrung und eine Umleitung eingerichtet. Die Hinweisschilder für die Autobahn waren drehbar und hatten die neue Beschilderung auf der Rückseite. Mit geringem Aufwand konnte somit die Sperrung und Umleitung erfolgen. Danach wurden auf jeder Zufahrtseite doppelte Schlagbäume geschlossen. Damit wurde der Autobahnabschnitt zur festgelegten Uhrzeit an die NVA übergeben.

Das Fliegertechnische Bataillon (FTB) 3 vom Flugplatz Preschen hatte jetzt Gelegenheit, die restlichen Tagesstunden und die Nacht zur Vorbereitung des ABA zum Flugdienst zu nutzen. Der Abschnitt war zu reinigen, auf Schäden zu prüfen und kleinere Instandsetzungsarbeiten an der Bahn durchzuführen sowie die Farbmarkierung für den Flugbetrieb zu erneuern. Das Funktechnische Bataillon (FuTB) 3 hatte mit Unterstützung des FuTB 31 einen mobilen Startkontrollpunkt (SKP) mit Fernmelde- und Flugfunkverbindungen zu errichten. Nah- und Fernfunkfeuer mit Funkmarker waren bei 1 und 4 km auf dem Landekurs aufzubauen. Am nächsten Morgen nach der Sperrung, pünktlich zum Wetterflug des JG 3 (oder eines anderen Geschwaders) waren alle Arbeiten abzuschließen. Landescheinwerfer waren aufgestellt, die Berge- und Feuerlöschgruppe hatte ihren Bereitschaftsplatz eingenommen und Wachposten, an den Autobahnzufahrten und links und rechts des ABA auf über 3 km Länge, hinderten neugierige Pilzsammler oder andere Personen am Betreten oder Befahren der Autobahn. Durch das FTB wurden am Westende des ABA, hinter der alten Brücke in einer Kurve Tankwagen, Druckluft- und Sauerstoffwagen sowie andere Versorgungsfahrzeuge abgestellt. Vor der Brücke am Westende war auf einer Lichtung im Wald mit perforierten Stahlplatten eine Abstellfläche für 4 MiG-21 vorbereitet. Unweit davon befand sich der Aufenthaltsbereich für fliegendes und technisches Personal mit Küchen- und Toilettenwagen.

Der Wetterflieger führte 1 ½ Stunden vor Flugdienstbeginn einen Landeanflug mit Konvair (kurzes Aufsetzen mit sofortigem Abheben nach wenigen Metern Rollstrecke) am ABA durch und prüfte die Wetterbedingungen, Nachrichten-, Flugsicherungs- und Navigationsmittel. Am Tag der ABA-Ausbildung flogen Fluglehrer und Auszubildende mit zwei Schulflugzeugen MiG-21 sowie "alte Hasen" mit zwei Kampfmaschinen MiG-21 SPS zum ABA und landeten dort. Manchmal waren noch Flugzeuge als Reserve am ABA oder es kamen Maschinen zur Zwischenlandung. Die Anzahl der Flugzeuge am ABA war wegen der begrenzte Abstellmöglichkeiten auf ca. 6 Maschinen eingeschränkt bzw. nur 4 Flugzeuge konnten in der Platzrunde gleichzeitig ausbilden. Später, in den 80er Jahren, wurde die alte Brücke am Westende entfernt und eine großzügige Abstellfläche mit Strahlabweiser für 8 MiG-21 oder 4 MiG-29 und für deren Sicherstellungstechnik eingerichtet. Für den zivilen Autofahrer war das ein Autobahnpark- und -rastplatz.

Ein Teil der an dem Tag geplanten Piloten wurden mit einer An-2 zum ABA geflogen, so daß die MiG's ganztägig am ABA verbleiben konnten. Nur die Preschener aus dem JG-3 oder von der TAFS (Taktische Aufklärungsfliegerstaffel) konnten vom Flugplatz Preschen durch den Wald auf die Autobahn rollen. Bei gleichzeitigem Flugbetrieb vom Flugplatz Preschen und vom ABA Forst mußten alle Flüge koordiniert werden, da der Landepfad nach Preschen durch die Platzrunde des ABA führte. Die Autobahn war nicht einmal 4 km vom Flugplatz Preschen entfernt.

Die ersten Platzrunden und Landungen am ABA wurden mit Fluglehrern auf der Schulmaschine durchgeführt. Wenn alles klappte und Landungen sicher und in guter Qualität waren, wurde man "zu selbständigen Starts und Landungen auf schmalen Bahnen zugelassen". Diese Zulassung wurde im Flugbuch und im Fliegerpaß eingetragen.

Nach dem Anlassen des Triebwerkes rollte die Maschine von der Abstellfläche am Westende auf die Autobahn. Bei Weststartrichtung mußte das Flugzeug erst 2,5 km nach Osten zum Startplatz rollen und wenden. In dieser Zeit war die Autobahn blockiert durch dieses einzige Flugzeug. Nach Herstellung der Startbereitschaft und von "SEKTION START" (Rufname des Flugleiters des ABA auf dem mobilen SKP) erteilter Startfreigabe wurde der Nachbrenner eingeschaltet. Seitlich hinter dem Flugzeug stand ein Techniker, der das Zünden des Nachbrenners kontrollierte und dem vor dem Flugzeug stehenden Techniker Zeichen gab. Der wiederum erteilte die Freigabe zum Losrollen durch ein Flaggensignal. Durch die Kontrolle des Triebwerkes durch den Piloten nach den Instrumenten und der äußeren Kontrolle durch die Techniker sollten mögliche Ursachen für einen Startabbruch ausgeschlossen werden. Ein Startabbruch oder eine Landung ohne Bremsschirm oder mit defekten Bremsen war nicht ungefährlich. Am Westende des ABA war die alte Autobahnbrücke. Man mußte beim Start sicher über die Brücke hinweg oder unter der Brücke durchkommen. Die Höhe der Brücke war nur wenige Zentimeter über 4 m, so daß das Seitenleitwerk einer MiG-21 gerade so durchpaßte. Aber bei einer MiG mit angezogenen Bremsen, wenn der Bug gesenkt und das Heck in die Höhe ragte, war das Seitenleitwerk höher als der Querträger der Brücke. Deshalb waren wir vorbereitet, unter der Brücke an der linken Seite mit gelösten Bremsen durchzurollen. Links deshalb, weil rechts in der Linkskurve nach der Brücke die Tankwagen abgestellt waren. Das Anrollen und der Start stellten kein besonderes Problem dar. Man mußte schneller auf Richtungsänderungen reagieren und mit gehobenem Bug war die linke Betonkante unmittelbar neben dem Flugzeug die einzige Richtungsorientierung.

Die Platzrunde führte um Forst und Tublice in Polen über die Autobahn auf Landekurs. Es gab keinen sichtbaren Landepfad, z.B. war weder eine Waldschneise noch ein klarer Bahnanfang zu sehen. Die Autobahn, die in einer leichten Rechtskurve in den Autobahnabschnitt mündete, war verwirrend. Man durfte nicht einfach der Autobahn folgen, sondern mußte sich auf die Platzrunde konzentrieren und sich nach der gedachten verlängerten Linie des ABA orientieren. Die 4. Kurve mußte in der richtigen Höhe und Entfernung erfolgen, denn es war schwierig, notwendige Gleitwinkelkorrekturen schnell zu erkennen, da klare, gut sichtbare Fixpunkte wie Bahnkante, Erdbremsstreifen oder Nahfunkfeuer fehlten. Man sah nur Wald und die von rechts näherkommende Autobahn, die mit dem Autobahnabschnitt verschmolzen war. Wenn man nun mit 320 - 340 km/h dem Abfangpunkt näher kam, wurde der Kampf um die exakte Richtung immer größer. Man reagierte auf jede kleine Abweichung. Nach dem Abfangen, wenn der Bug gehoben war, sah man die Autobahn gar nicht mehr. Das war ein gutes Zeichen. Wenn aber die Autobahn links oder rechts neben dem Bug noch sichtbar war, so befand man sich nicht genau über der Mittellinie, sondern seitlich versetzt, und das konnte gefährlich werden. Nach dem Aufsetzen senkte man zügig, aber gesteuert, den Bug, um die Richtung leichter zu erkennen, fuhr den Bremsschirm und war nach dessen Entfaltungsstoß und positiver Bremsprobe erleichtert. Man rollte jetzt mit noch über 200 km/h aus, wo sonst polnische Lkw's und Trabi's entlang brausten. Jetzt, etwas entspannter, vernahm man, wie die Stoßdämpfer des Fahrwerks die Unebenheiten dieser doch typischen DDR-Autobahn ausglichen.

Nach dieser Ausbildung war das Vertrauen an sich selbst, zur Kampfttechnik und die sie warten, ein kleines Stück gewachsen. Im Zeitraum von 1978 bis 1989 führte ich 34 Starts und Landungen (davon 24 mit der MiG-21 SPS) an Autobahnabschnitten durch.